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Großer Sendesaal des ORF

Der von Clemens Holzmeister geplante Saal steht unter strengem Denkmalschutz. In diesem Ambiente führte tonarchitektur zum ersten Mal eine Rastermessung durch, um die akustischen Reaktionen des Raums in allen Details zu verorten.

Die Orchestermuschel wurde ursprünglich für eine Bespielung durch 40 Personen geplant - und ist damit für heutige Verhältnisse viel zu klein. Mittlerweile treten Orchester mit bis zu 100 Musiker/innen im Sendesaal auf. Das bedeutet, dass Teile des Orchesters außerhalb der Orchestermuschel Aufstellung nehmen müssen, was fatale Folgen für die Hörsamkeit innerhalb des Orchesters mit sich bringt. Die Orchestermuschel dirigiert die Schallenergie in den Saal, trägt sie förmlich in ihn hinein. Meist sind es die Streicher, die außerhalb der Muschel positioniert sind. Dieser Standort bedingt, dass sie von den Kolleg/innen im Nukleus des Orchesters nicht gehört werden. Die Musiker/innen orientieren sich folglich ausschließlich am Dirigenten, spielen "blind". Um diese unbefriedigende Situation zu beenden und für gegenseitige Hörbarkeit zu sorgen, wurden die roten seitlichen Segel auf Höhe der Streicher deutlich stärker geneigt, was zu einer gezielten Umlenkung der Schallenergie führt.

Die Rastermessung ergab, dass transiente Signale (viel Energie in kurzer Zeit, z.B. ein gezupfter Kontrabass im Gegensatz zum gestrichenen) zu schnell verklangen. Das Zupfen ging unter, in unteren Frequenzen wurde Schallenergie stark absorbiert. Der Grund für dieses eigentümliche Verhalten war nur mit quasi detektivischer Akribie zu eruieren - als "Täter" wurden die Blindorgelpfeifen ermittelt.

Diese Deko-Pfeifen, die vor den eigentlichen Orgelpfeifen stehen, haben Öffnungen an beiden Enden und funktionierten - unabsichtlich - als effektive Bassabsorber; somit verursachten Dekorelemente die Verzerrung des akustischen Images. Die Blindpfeifen wurden verschlossen, das Problem war gelöst. Die Orgel selbst - eine der besten Österreichs - ist von diesem Eingriff nicht betroffen.

Die Schallenergie soll aus der Orchestermuschel durch den Zuhörerraum gelenkt und an der Saalrückwand absorbiert werden - so entstehen kontrolliertes akustisches Image und sauberer Klang. Aufgrund der ausgewerteten Ergebnisse der Rastermessung wurde eine Absorptionslücke evident, verursacht durch die Saaleingangstüren des rückwärtigen Portals. Die störenden Reflexionen der Mitteltür erreichten über den freien Mittelgang punktgenau die Dirigentenposition und verfälschten somit den Klangeindruck. Absorber an der Tür eliminierten den Störeffekt.

Sämtliche Akustikelemente, auch die monumentalen Seitensegel, sind in vorgesetzter Konstruktion angebracht und demontierbar - ein Zugeständnis an die Auflagen des Denkmalschutzes

Der von tonarchitektur orchestrierte Akustikumbau ermöglicht mittlerweile die Aufführung nahezu aller Musikgenres im Großen Sendesaal - von Klassik bis hin zu musikalischen Programminhalten von FM4.

Projektpartner: Architekt Marcus Handsur
Fotos: ©Johannes Cizek